2017 habe ich einen Gastbeitrag auf der Seite von Carina Reitz verfasst. Vor ungefähr einer Woche ist er mir wieder über den Weg gelaufen und ich musste echt lachen.
Denn noch heute ist dieser Beitrag für mich aktuell. Vielleicht sogar aktueller als er 2017 noch war.
Deshalb habe ich ihn etwas überarbeitet und noch mal neu hier auf meiner Seite veröffentlicht. Ich denke nicht, das Carina etwas dagegen haben wird.
Die große Massenvision vom Traumbusiness
Fleißig werben sie, die smarten Unternehmer:innen. Sie versprechen nicht nur finanzielle Freiheit, sondern paaren dies auch mit Worten wie passives Einkommen, digitale Nomaden, leicht & schnell Geld verdienen im Internet, Moneymindset (Kotz) und vielen anderen, psychologisch fragwürdigen Begriffen.
Das löst, wenn die Begriffe Traum- oder Herzensbusiness fallen, in vielen von uns große Visionen aus.
Nicht nur von Freiheit, Geld und dem Laptop am Strand, sondern auch eine traumhafte Vorstellung, mit dem was man wirklich-wirklich liebt, ganz leicht Geld zu verdienen. Einfach so. Man muss nur in die digitale Welt eintauchen, etwas Social-Media machen, ein wenig Online-Marketing hier, etwas Bezahlwerbung und Affiliate da und schwupps…verdient man automatisiert Geld und kann sich wieder mit dem Cocktail an die Bar verziehen.
Auch bei mir war es einmal so. Wie ein hungernder Löwe bin ich jeder Antilope hinterhergelaufen und war am Ende mehr als nur erschöpft.
Wer heute was auf sich hält, läuft entweder den Jakobsweg oder wird erfolgreicher Online-Unternehmer.
Hape Kerkeling, den ich übrigens sehr bewundere, nannte seine Jakobswegstory: “Ich bin dann mal weg”.
Und genau das müsst auch ihr mit dem ersten Impuls des “Kaufen-Buttons” machen, wenn einer der selbsternannten Erfolgsgurus euch seine Gewinnformeln verkaufen will. Glaubt mir, wenn einer von uns eine garantierte Formel in der Tasche hätte, dann wäre es leichter sie anzuwenden, als einen Kurs zu erstellen. Denn didaktisch gut aufbereitete Kurse, sind aufwendig und es steckt wahnsinnig viel Arbeit darin. Warum sollte man also das schnelle Geld mit der viele Arbeit tauschen?
Ist Erfolg also eine Größenschablone, die man auf jedes Leben anwenden kann?
Erfolg ist keine Größenschablone, die man auf jedes Leben anwenden kann. Erfolg ist ganz individuell, persönlich und stets im Wandel.
Was bedeutet für dich persönlich Erfolg?
Versuche es einmal klar zu definieren. Das hilft dir, wenn die nächste Werbung um die Ecke kommt und dich mit all ihren Zauber-Marketingerfolgsformeln zu bombardieren droht.
Traumbusiness komme und erlöse mich!
Auch ich war zeit meines Lebens auf der Suche, nach dem heiligen Job-Gral. Habe mich von Arbeitgeber zu Arbeitgeber gequält und fühlte mich meist schon nach kurzer Zeit eingeengt, bevormundet und so weit weg von der Selbstverwirklichung, wie Helene Fischer von Iron Maiden.
Dabei wollte ich doch nur mehr Zeit für all die Dinge im Leben, die mir am Herzen liegen. Ich wollte mehr Spaß, mehr Familie, mehr Zeit zu reisen, mehr Freiheit, mehr Natur, mehr Eigenständigkeit, mehr Entscheidungsgewalt, mehr Meer. Ach, ich könnte diese Liste fast endlos fortführen.
Kurz gesagt, ich wollte mein eigener Herr sein. Nicht mehr buckeln für die Gewinne der anderen, keine festen Arbeitszeiten und auf keinen Fall einen Chef, der mir sagt, was ich wie zu tun habe.
In meinem Kopf war alles klar.
Ich organisierte, schrieb Konzepte, las Bücher, nahm an etlichen Webinaren und Online-Seminaren teil, kaufte mir Expertenwissen, besuchte tolle Workshops und reduzierte meine Lebenshaltungskosten um ein Vielfaches. Ich war bereit!
Naja und was dann passierte – lass es mich mit einer Zeile aus dem Lied <Gestrandet> von Santiano erklären:
Ich kann mich erinnern
Wie’s damals war
Im sichren Hafen
Der Weg war klar
Doch die letzte Welle
Hat uns aufgeweckt
Ich hör noch immer wie sie brandet
Wir sind gestrandet
Der erste, aber sehr wichtige Dämpfer kam nach einem Seminar meiner Frau, in der es zwar um den Schritt ins UnternehmerINNENtum ging, doch die harten Zahlen und Fakten waren – und sind es noch immer: Unvoreingenommen, geschlechtsneutral und verdammt ehrlich.
Bitter und rau war die Stimme der Zahlen, die mir vor Augen führte, wie viel Kohle ich reell umsetzen muss, um am Ende des Geldes nicht noch mehr als die Hälfte des Monats überzuhaben. Existenzängste machten sich sofort breit und vergifteten meinen kreativen Geist. Ich wollte alles hinschmeißen.
Schöne Versprechen und die nackte Wahrheit
Wenn also auch du mit dem Gedanken spielst, alles auf eine Karte zu setzen, deinen Job zu kündigen und deinen Lebensunterhalt fortan als Solopreneur:in zu bestreiten, setze bitte erst die rosarote Brille ab und schau genauer hin.
Gerade im Netz und vor allem auf Instagram, Facebook & Co. sind ja alle immer wahnsinnig erfolgreich. Sie posten Bilder von ihren Arbeitsplätzen in fernen Ländern, loben sich und ihr Business mit bunten Grafiken und tollen Blogbeiträgen und geben sich stets als die Reiter der steilsten Erfolgswelle der Menschheitsgeschichte.
Und sie machen dir immer wieder unmissverständlich klar, dass du nur ihr tolles Erfolgsrezept kaufen musst und schon bist auch du innerhalb kürzester Zeit ein ebenso wertvolles Mitglied im „Circle of trust“
Deshalb rate ich dir. Bevor du ein Coaching, einen Online-Kurs oder sonst etwas buchst, schlafe eine Nacht darüber. Denn wenn du die rosarote Brille erst einmal ablegst und diese Geschäftsmodelle genauer betrachtest, fällt dir auf, dass viele Menschen dahinter entweder noch wahnsinnig jung sind, meist keine Familie oder einen eigenen Haushalt haben oder aber dass treusorgende Ehepartner an ihrer Seite stehen, die für alle Kosten aufkommen.
Okay, vielleicht haben sie auch geerbt oder sind eine Ausnahme. Aber auf keinen Fall sind sie über Nacht mit genau dem Business reicht geworden, was du liebst.
Ach ja…oder sie lügen, dass sich die Balken biegen.
Nein, dies soll keine Pauschalverurteilung all jener sein, die einen tollen Job machen und sehr hart für ihr Geld arbeiten, sondern eine Warnung, einfach etwas achtsamer und manchmal sogar ein klein wenig misstrauisch zu sein. Das schnelle Geld gibt es nur im “Haus des Geldes” oder ist die absolute Ausnahme.
Warum ist es denn so, dass du ganz selten wirklich harte Zahlen zu lesen bekommst oder dass gar einer der Erfolgswellensurfer von einer wirklichen Pleite schreibt?
Storytelling oder aber die Erfolge der Gescheiterten
Jetzt wirst du sagen, ja, aber es gibt auch noch die, die einmal ganz tief gefallen sind und sich beschwerlich und mit ganz viel Schweiß und schwieligen Händen aus dem Sumpf gezogen haben.
Die vom Millionär zum Tellerwäscher mutiert sind und erst jetzt wieder, mit ihrer speziellen Methodik, in der Lage sind, in Dubai auf einer Jacht zu liegen und Cocktails zu schlürfen.
Ja, die gibt es. In der Tat. Man findet sie ganz viel in der Speaker- oder Coachingszene. Aber auch viele andere “Online-Unternehmer” erklären sich deshalb zum Experten, weil sie genau diesen steinigen Weg ebenfalls gegangen sind. Und sie machen dir klar, dass du das auch kannst. Mit ihrer Hilfe wirst auch du vom Tellerwäscher zum Millionär. Du musst nur ihren Online-Kurs, ihren Masterbereich oder ihr Hochpreiscoachingpaket buchen und schon wirst auch du auf der besten Welle des Lebens surfen.
Warum das so ist? Ganz einfach. Das Geheimnis heißt Storytelling.
Storytelling ist eine Methode, in der man Informationen/Wissen/Botschaften in Form einer Geschichte erzählt. Eine gute Geschichte erzeugt Emotionen beim Gegenüber. Er findet sich wieder und ist empfänglich für die dort versteckten Botschaften. Eine gute Geschichte ist wie ein guter Film. Sie erzeugt Aufmerksamkeit und, fast noch wichtiger, man erinnert sich viel besser an den Inhalt.
Der Plott (Aufbau) ist denkbar genial wie einfach:
Botschaft: was soll vermittelt werden?
Held:In: Die Hauptfigur, mit der sich die Leserin/der Leser identifizieren können.
Problemstellung: Storytelling beginnt immer mit einem konkreten Problem/einer Situation, die beschrieben und dramaturgisch aufgebaut wird, um am Ende dann, natürlich, gelöst werden zu können.
Emotionen: Storytelling sorgt für eine emotionale (und nicht kognitive) Reizwirkung.
Ich sage nicht, dass Storytelling schlecht ist. Es ist eine gute Möglichkeit, Dinge so zu sagen, dass sie gut verstanden werden. Aber es öffnet auch Tür und Tor für all die Geschichtenerzähler da draußen, die nur deshalb erfolgreich sind, weil es Menschen gibt, die ebenfalls auf der Suche nach dem kleinen (oder großen) Glück sind.
Freiheit geht auch anders
Ich sage, Zeit- und Ortsunabhängigkeit und auch die so hochgelobte Selbstentscheidungsgewalt, ist keine echte Freiheit.
Meine wirkliche Freiheit besteht darin, keinen Druck zu haben.
Meine Freiheit besteht darin, die Dinge, die mir Spaß machen, immer nur dann tun zu müssen, wenn ich mit vollem Herzen dabei sein kann und nicht, weil ich noch immer die nächste Miete nicht bezahlt habe.
Und diese Freiheit kann ich nur deshalb leben, weil ich einem ganz normalen Job mit einer 37,5 Stunden Woche nachgehe, der meine Familie ernährt, meine Rechnungen bezahlt und mich in die Lage versetzt, mir mein Business erst leisten zu können.
Nicht dein Job ist es, der dir den Sonntagabend zu vermiesen versucht, sondern deine Einstellung zu eben diesem.
Als ich begriff, dass ich nicht jeden Morgen ins Büro fahre um einen Job zu machen, der mir keinen Spaß macht, sondern dass ich mich jeden Morgen auf den Weg mache, damit ich den einen Job, der mir wirklich-wirklich Spaß macht, erst machen kann, löste sich alles in mir.
Plötzlich fühlte ich mich frei. Denn jetzt war nicht mehr der Job einfach der Job, sondern er war die Möglichkeit, die Chance, das Sprungbrett.
Und mir wurde auch bewusst, dass ich jeden Tag, jede Stunde, jede Minute und jede Sekunde meines Lebens eine Wahl habe, mich anders zu entscheiden.
Das hast du davon:
Welche Vorteile bietet dir also der Einstieg in dein Traumbusiness als Sidepreneur:in?
Finanzielle Absicherung
Als SidepreneurIn hast du ein festes Einkommen, mit dem du rechnen kannst. Das bietet dir auch ohne festen Umsatz Investment-Möglichkeiten.
Weiterhin sichert es dir deinen Lebensunterhalt und lässt dich nachts ruhig schlafen, auch wenn du mal krank bist oder es grad nicht so läuft.
Tagesstruktur
Wenn man sich selbständig macht und dann noch Online-UnternehmerIn werden möchte, ist ein großes Maß an Selbstdisziplin und Struktur gefordert. Durch die Regelmäßigkeit, die dein „Brotjob“ von dir verlangt, hast du automatisch einen geregelten Tagesablauf.
Kassenbeiträge
Durch einen festen Arbeitsvertrag bist du automatisch Einzahler sowohl in die Kranken- und Rentenkasse, als auch in die Arbeitslosenversicherung. Schon allein ein Krankenkassenbeitrag kann schnell 300 – 600 Euro im Monat kosten.
Und wenn du dann noch (erkundige dich bitte rechtzeitig) in eine Berufssparte fällst, die in die Rentenpflichtversicherung einzahlen muss, bist du noch mal einige Euros los, die erst einmal verdient werden müssen.
Kein Druck
Stell dir vor du bist selbständig und keiner kauft.
Stell dir gleichzeitig vor, dir ist es zwar nicht egal, aber es löst keinen Erfolgsdruck in dir aus.
Coole Vorstellung, oder?
Ich habe viele Kolleginnen und Kollegen erlebt, die durch genau diesen Druck den Blick für ihr eigentliches Business verloren haben und sich von Projekt zu Projekt -entschuldige den Ausdruck- prostituieren, weil ihnen das Wasser gefühlt schon bis an die Nase steht.
Freiheit
Mein persönlich liebster Vorteil ist die Freiheit.
Die Freiheit, nur dann zu arbeiten, wenn mein Herz, mein Bauch und auch mein Leben danach schreien und nicht, weil meine Bank auf Zahlungseingänge wartet.
Diese Freiheit spendet mir so viel Energie, dass ich auch nach einem 8-Stunden-Tag gerne für mein Business da bin und mit vollem Elan an die Sachen herangehen kann.
Die Freiheit, wenn es mir mal nicht so gut geht, weil beispielsweise der Grippevirus Einzug hält, mir einfach eine Auszeit zu gönnen, ohne ständig über meine Zahlen nachdenken zu müssen.
Die Freiheit, in den Urlaub fahren zu können, ohne mein Laptop dabei haben zu müssen und mich voll und ganz auf Erholung einzustellen.
Kollegen (Netzwerk)
Ich liebe Menschen. Und ich liebe es auch, mit ihnen zusammen zu arbeiten. Nicht via Facebook, Skype oder so, sondern live und in Farbe.
All dies habe ich in meinem Job. Hier kann ich mir Feedback holen sowohl privat, als auch für den Job oder sogar meine Selbständigkeit. Und viele meiner Kollegen haben schon Freunden, Verwandten oder Nachbarn von mir und meinem Herzensprojekt erzählt.
Also trau dich und erzähle allen von deinen Projekten. Feedback von ganz außen ist wunderbar.
Mehr Experimentierfreude
Ein weiterer Vorteil ist meiner Meinung nach die Möglichkeit, deiner Experimentierfreude freien Lauf zu lassen.
Du kannst Projekte ins Leben rufen, Programme oder Tools kaufen oder mieten, du kannst Kooperationen eingehen, eine neue Webseite ins Leben rufen, eine oder mehrere Kampagnen an den Start bringen….und du kannst alles wieder verwerfen und es ganz anders oder sogar neu machen.
Reinvestition
Wenn du deine Kosten allein mit deinem Hauptjob decken kannst, hast du die beste Möglichkeit, die Gewinne aus deinem Business direkt wieder zu investieren. Würdest du hauptberuflich diese Tätigkeit ausführen, dann müsstest du den Investitionsbeitrag immer erst gegenrechnen.
Egal, wie du dich entscheidest, oder an welcher Weggabelung du dich gerade befindest. Ich wünsche dir immer eine Hand breit Wasser unter dem Kiel und ganz viel Freude und auch persönlichen Erfolg für dein Business.
Gastbeitrag aus 2017, bearbeitet 2022